Mythos Mouton Rothschild


Chateau Mouton RothschildDer Wein der Könige, "in guten Jahren der beste der Welt", schreibt zumindest die Zeitung Die Welt (am 16.5.2003). 

Selbst in schlechten Jahrgängen verkauft er sich gut und teuer. Sammler zahlen hunderte von Euros für eine Flasche und denken nicht daran, sie jemals zu öffnen. Weil Picasso das Etikett gestaltete (1973, Foto links unten). Oder Chagall, Dalí, Masson, Miró, Warhol, Baselitz. 55 internationale Künstler haben sich verewigt.

Der Weg war außergewöhnlich lang, kostspielig und tragisch. Philippe de Rothschild

war der erste, der 1924 den berühmten Schriftzug "mis en bouteille au château" auf die Flasche drucken ließ. Mit dieser Schlossabfüllung übernahm der Winzer erstmalig die Verantwortung über den Inhalt, nicht die Weinhändler. Die Marke Mouton Rothschild war geboren. Ebenfalls 1924 führte Philippe das erste Künstler-Etikett ein, vom Plakatmaler Jean Carlu. Ein PR-Trick, der seiner Zeit allerdings voraus war und zunächst wieder im Keller verschwand. Erst seit 1945 ziert Mouton regelmäßig ein Künstler-Etikett.

 

Philippe de Rothschild hatte das Gut gerade zwei Jahre zuvor mit 20 Jahren von seinem Vater übernommen.

Er hatte keine Ahnung vom Weinmachen, dafür ausgiebig vom Leben gekostet. In den 20er-Jahren war Philippe ein Liebling der Pariser Gesellschaft, ein früher Playboy mit Promotion als Dr. nat rer, der die 24 Stunden von Le Mans fuhr und Filme produzierte. Und er hatte ein Ziel. Den besten Wein der Welt zu machen. Geschmack und Geld war reichlich vorhanden.

Aber zurück zu den Wurzeln. Nachdem am 11. Mai 1853 Baron Nathaniel de Rothschild (ein Sprössling der englischen Linie der Bankiersfamilie) das Weingut Château Brane Mouton für die Summe von 1,124 Mio. Francs gekauft und in Château Mouton Rothschild umgetauft hatte, gab es zunächst herbe Rückschritte. Der Wein wurde in der Klassifikation von 1855 nur als zweitklassig eingestuft. Daher prägte Philippe den Ausspruch "Premier ne puis, second ne daigne, Mouton suis" (Erster darf ich nicht sein, zweiter mag ich mich nicht nennen, ich bin Mouton). Er sollte 50 Jahre brauchen, um den Wein auf eine Stufe neben Lafite Rothschild, Latour, Margaux und Haut Brion zu stellen und daraus die "Großen Fünf" im Bordelais zu machen: Erst 1973 wird der damalige Landwirtschaftsminister Jacques Chirac das Gut in den Rang eines Premier Cru erheben. "Premier je suis, second je fus, Mouton ne change" (Erster bin ich, zweiter war ich, Mouton bleib ich), wird der Baron auf das von Picasso gestaltete Etikett schreiben.

 

1959 Chateau Mouton Rothschild

Die dreißiger Jahre - Missernten und Wirtschaftskrise

Die 30er-Jahre brachten zunächst aber neben Missernten und Wirtschaftskrise schwere Schicksalsschläge für die jüdische Familie. Die Deutschen besetzten im Zweiten Weltkrieg Frankreich bis weit ins Bordelais hinein - Göring wollte die berühmten Château-Weine als Kriegsbeute und ließ hunderttausende von Flaschen in den Adlerhorst über Berchtesgaden verschleppen. Château Mouton wurde von den Deutschen besetzt. Die Frau des Barons, Comtesse Elisabeth de Chambure, wurde kurz vor der Befreiung in ihrer Pariser Wohnung - vor den Augen ihrer Tochter Philippine - festgenommen und ins KZ Ravensbrück deportiert, wo sie ermordet wurde. Philippine de Rothschild, die heute das Unternehmen leitet, fällt es immer noch schwer, deutsche Gäste zu empfangen.


 

Der Baron kehrte als hochdekorierter Widerstandskämpfer zurück

und ließ als erstes sein Schloss von deutschen Kriegsgefangenen wieder herstellen. Und einen Schlosspark mit Straße anlegen - "meine Straße der Rache", schrieb Philippe ins Tagebuch. Das Etikett des 45er Mouton ziert ein graphisches V für Victory. Er ist eines der großen Weinmonumente der Welt, wird um die 10 000 Euro gehandelt, gut erhaltene Großflaschen sind immer noch auf ihrem Höhepunkt und erhalten regelmäßig 100 Punkte, das Höchstmaß der Weinkritik.

Als der ehemalige "Weinführer" von Bordeaux, Heinz Bömers von Reidemeister und Ulrichs, nach dem Krieg bei Rothschild über eine Wiederaufnahme der geschäftlichen Beziehungen nachfragte, sagte der Baron ohne zu Zögern zu: "Sicher, wir müssen jetzt ein neues Europa bauen."

Der Mythos Mouton wuchs in den 60er-Jahren weiter. Gemeinsam mit seiner neuen Frau, der Amerikanerin Pauline Fairfax-Potter, brachte der Baron wieder Glanz in das Anwesen. Baron Philippes letzter Jahrgang war der 87er, 1988 starb er. Seine Tochter Philippine führt den Konzern als Vorsitzende des Aufsichtsrates weiter. Die ehemalige Schauspielerin der Comédie Française ist seit Jahren als Botschafterin von Mouton unterwegs. Die mondäne Diva des Weins ist besonders in Amerika beliebt, wo sie auch das Gemeinschaftsunternehmen von Rothschild und Mondavi, den Opus One, als ersten Kultwein der Neuen Welt forcierte. Berühmt sind ihre Wutausbrüche bei den Vorstellungen der noch nicht auf Flaschen abgefüllten Weine eines neuen Jahrgangs - wenn es einer der Konkurrenten wagen sollte, teurer zu sein.

Nur ist nie sicher, dass die Flaschen auch vom Käufer getrunken werden. Ein Jammer, was inzwischen in den Kellern der Sammler versauert, so dass Baronin Philippine de Rothschild selbst mahnen muss: "Meine Weine sollen nicht gesammelt, sondern getrunken werden."

Der Mythos lebt weiter, "Mouton ne change".

 

1945: Philippe Jullian mit einem stilisierten V (für „Victoire“, frz. Sieg: zum Andenken an den großen Sieg über NS-Deutschland)
1946: Jean Hugo
1947: Jean Cocteau
1948: Marie Laurencin
1949: André Dignimont
1950: Georges Arnulf
1951: Marcel Vertès
1952: Léonor Fini
1953: Année du Centenaire
1954: Jean Carzou
1955: Georges Braque
1956: Pavel Techelitchew
1957: André Masson
1958: Salvador Dalí
1959: Richard Lippold
1960: Jacques Villon
1961: Georges Mathieu
1962: Roberto Matta
1963: Bernard Dufour
1964: Henry Moore
1965: Dorothea Tanning
1966: Pierre Alechinsky
1967: César
1968: Bona
1969: Joan Miró
1970: Marc Chagall
1971: Wassily Kandinsky
1972: Serge Poliakoff
1973: Pablo Picasso
1974: Robert Motherwell
1975: Andy Warhol, siehe Galerie
1976: Pierre Soulages
1977: „Gedenken an Queen Elizabeth II“
1978: Jean-Paul Riopelle (2 Etiketten)
1979: Hisao Domoto
1980: Hans Hartung
1981: Arman
1982: John Huston bunt verspieltes Etikett mit einem tanzenden weißen Schaf
1983: Saul Steinberg, siehe Galerie
1984: Agam
1985: Paul Delvaux
1986: Bernard Séjourné
1987: Hans Erni
1988: Keith Haring
1989: Georg Baselitz Berliner Mauerfall
1990: Francis Bacon, siehe Galerie
1991: Setsuko, siehe Galerie
1992: Per Kirkeby, siehe Galerie
1993: Balthus (zwei Etiketten)* 
1994: Karel Appel, siehe Galerie
1995: Antoni Tàpies, siehe Galerie
1996: Gu Gan, siehe Galerie
1997: Niki de Saint Phalle
1998: Rufino Tamayo, siehe Galerie
1999: Raymond Savignac
2000: Siebdruck statt Etikett**
2001: Robert Wilson
2002: Ilja Kabakow
2003: Kein Künstleretikett – Zum 150. Jahrestag der Übernahme des Weingutes durch die Familie Rotschschild zeigt das Etikett ein zeitgenössisches Foto des Barons Nathaniel de Rothschild mit einer Seite des Kaufvertrags als Hintergrund.
2004: Prinz Charles
2005: Giuseppe Penone
2006: Lucian Freud
2007: Bernar Venet[4]
2008: Xu Lei[5]
2009: Anish Kapoor
2010: Jeff Koons
2011: Guy de Rougemont
2012: Miquel Barceló
2013: Lee Ufan
2014: David Hockney
2015: Gerhard Richter
2016: William Kentridge
2017: Annette Messager

* Da das erste Etikett in den USA Anstoß erregte: es wurde in den USA als „pädophil“ empfunden. Baron Philippe ließ dann die kindliche Figur von den Etiketten für den USA-Export entfernen. Nur ein Gerücht ist, dass hernach in der USA-Abfüllung auch schlechterer Wein verwendet worden sei: Der Jahrgang war insgesamt nicht hochklassig.

** Statt eines Etikett wurde Siebdruck für die Millennium-Flasche verwendet; das Motiv ist der "Augsburger Widder" (Goldschmiedekunst um 1590 vom Jacob Schenauer) – ein Widder kommt auch auf dem Wappen des Weinguts vor


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